KAPITEL I
Der kleine Mann im dunklen Anzug prallte mit dem Taschendieb zusammen. Dieser stahl ihm die Brieftasche.
Peter Kerrigan hatte dies beobachtet. Er prallte seinerseits mit dem Taschendieb zusammen und nahm ihm die Brieftasche ab.
Zufrieden schlenderte Peter Kerrigan weiter. Er war guter Laune und pfiff fröhlich vor sich hin. Nach einiger Zeit sah er sich die Brieftasche näher an. Sie enthielt einige ungültige Fahrscheine, einen Zulassungsschein für den Lesesaal des Britischen Museums, der auf den Namen Harrison Hone ausgestellt war, und einen Brief.
Peter Kerrigan warf einen kurzen Blick auf den Brief und wollte ihn bereits wieder in die Brieftasche stecken. Dann aber stachen ihm die Worte ‘eine Million Pfund’ in die Augen.
Jetzt sah sich Kerrigan den Brief genauer an.
«Lieber Harry», war dort zu lesen, «etwas Wundervolles ist passiert. Es wird nicht lange gehen, und ich werde mindestens eine Million Pfund erhalten. Wir werden beide unendlich reich sein. Grüsse Hilda und die Neffen von mir – dein John. ‘Geh und bitte die Soldaten zu schiessen’.»
Kerrigan begann schneller zu laufen, bis er den kleinen Mann überholt hatte. Er drehte sich zu ihm um, verbeugte sich höflich und sagte:
«Ich glaube, diese Brieftasche gehört Ihnen, Sir?»
Der kleine Mann warf einen Blick auf die Brieftasche und stammelte:
«Oh ja, vielen, vielen Dank. Danke vielmals. Ja, es ist meine Brieftasche. Ich muss sie verloren haben… vielen, vielen Dank.»
«Nicht der Rede wert», erklärte Kerrigan grosszügig. Ihn interessierte jedoch die Million Pfund, von denen im Brief die Rede war.
«Was halten Sie davon, wenn wir Ihre Brieftasche bei einem Glas Bier feiern?», fragte er. «Es ist halb zwölf, und ein Schluck Ale würde niemandem schaden, schätze ich.»
«Nichts für mich. Ich trinke nie Ale», entgegnete der kleine Mann. «Ich trinke sehr selten Alkohol. Tatsächlich würde ich sagen, dass ich total abstinent bin.»
«Nun ja – dann trinken Sie ein Glas Milch. Kommen Sie.»
Der kleine Mann zögerte.
«Ich muss Ihnen gestehen, dass ich … unglücklicherweise – eh … all mein Geld … zuhause auf dem Klavier habe liegen lassen.»
«Das macht nichts», versicherte ihm Kerrigan. «Ich meinerseits schwimme im Geld. Kommen Sie.»
Der kleine Mann zögerte noch immer, doch Kerrigan führte ihn in die nächste Bar.
«Einen wunderschön guten Morgen», sagte er zur Bardame, «vielleicht könnten Sie mich mit einem grossen Ale beglücken, und, wenn Sie dies auf Lager haben, mit einem Glas Mich für den Gentleman – vielleicht mit einem Tropfen Rum drin?»
Die Bardame brachte Kerrigan ein Ale und dem kleinen Mann ein grosses Glas Milch mit reichlich Rum. Der fast totale Abstinenzler nahm hastig einen grossen Schluck und hustete dann über eine Minute lang.
«Was für eine merkwürdige Milch», keuchte er endlich. «Sie schmeckt sehr scharf.»
«Die Milch wurde pasteurisiert», behauptete Kerrigan. «Heutigentags wird nur noch pasteurisierte Milch serviert.»
«Das wusste ich nicht», meinte der kleine Mann. Er schien Kerrigan nicht recht zu glauben. «Ich habe mich früher mit der Pasteurisierung von Milch beschäftigt und …»
«Oh, da hat sich in letzter Zeit einiges geändert», unterbrach ihn Kerrigan eilends. «Das ist die neuste Entwicklung.»
«Es schmeckt sicher gut», gab der kleine Mann zu. «Aber ich glaube, dass man die Milch nicht hinunterzuschütten, sondern sie in kleinen Schlucken trinken sollte.»
«Da liegen Sie richtig», bestätigte Kerrigan. «Schluck für Schluck, und Sie können nichts falsch machen. Und nun zum Geschäftlichen, Herr Hone.»
Der kleine Mann schaute wild um sich. Ihm gingen Geschichten von Männern durch den Kopf, die in einer Bar ausgeraubt oder sogar ermordet worden waren.
«Was … was … für Geschäfte meinen Sie? Und woher wissen Sie meinen Namen?».
Kerrigan senkte seine Stimme.
«Haben Sie etwas von John gehört?»
Mr. Hone zuckte zusammen.
«Nein», entfuhr es ihm, «ich wünschte bei Gott ich hätte.»
Dann merkte er, dass er zu viel gesagt hatte.
«Ich weiss mit dem besten Willen nicht, wovon Sie sprechen. Und – eh … wenn Sie nichts dagegen haben, ist es besser, wenn ich nun gehe. Ich habe es eilig.»
Peter Kerrigan versuchte, ihm mit der notwendigen Ernsthaftigkeit zu antworten:
«Ich bin auf Ihrer Seite.»
Der kleine Mann schaute ihn verwirrt an.
«Sie meinen …», begann er.
«Ja», gab Kerrigan zur Antwort. «Ich weiss mehr über John, als Sie denken.»
«Wissen Sie, wo er ist?», jammerte Herr Hone. «Er ist seit sechs Wochen weg, und ich habe Angst um ihn.»
«Kein Wort von ihm?»
«Kein Wort. Kein Brief. Kein Telegramm. Nichts. Ich habe Angst, dass er irgendetwas Verrücktes tut», fuhr Mr. Hone mit einem traurigen Unterton fort. «John war immer ein Draufgänger. Und als ich seinen Brief erhielt …»
Er brach ab und schaute Kerrigan misstrauisch an.
Dieser nickte zustimmend und sagte:
«Jener von der Million Pfund. Ja, ich weiss. Fahren Sie fort.»
Mr. Hone wurde misstrauisch.
«Woher wissen Sie von diesem Brief? Und wie heissen Sie überhaupt?
«Ich heisse Carkeek», behauptete Kerrigan. «Ich bin ein Privatermittler.»
«Warum wollen Sie die Angelegenheiten meines Bruders untersuchen – und dies erst noch privat?»
«Weil ich eine interessierte Partei vertrete», antwortete der neuernannte Mr. Carkeek würdevoll. «Eine, dessen Namen zu verraten ich allerdings nicht befugt bin. Aber ich kann Ihnen versichern, dass dahinter eine bedeutende Persönlichkeit steht.»
Das verwirrte Mr. Hone.
«Es ist alles so rätselhaft», meinte er, «Noch vor sechs Wochen dachte ich, dass es keinen friedlicheren Ort in England geben könnte als jenen, in dem mein Bruder und ich lebten. Ich arbeitete als Lektor, und mein Bruder arbeitete als Bibliothekar. Und jetzt ist mein Bruder verschwunden, weil er eine Million Pfund gesucht hat. «
«Wissen Sie, Mr. Carkeek», schloss Mr. Hone, «Ich bin drauf und dran, in meinen Vorlesungen den Faden zu verlieren. Vorlesungen, die ich seit 15 Jahren halte. Wenn das so weitergeht, komme ich in Schwierigkeiten. Vielleicht werde ich sogar entlassen. Und was soll ich dann tun? Ich habe eine Frau und zwei Kinder zu ernähren.»
Kerrigan gab der Bardame einen Wink. Sie sollte nochmals ein Glas Ale und ein Glas Milch mit Rum bringen. Munter sagte er:
«Mit einer Million Pfund werden Sie sicher für Ihre Familie sorgen können!»
«Ich wollte, ich wüsste, was ich tun soll», murmelte der kleine Mann und seufzte. «Ich weiss, dass ich etwas tun sollte, aber ich bin es nicht gewohnt, etwas zu tun.»
«Warum erzählen Sie mir nicht die ganze Geschichte?»
«Es gibt nichts zu erzählen. Mein Bruder ist verschwunden. Und ich weiss nicht, was ich tun soll, um ihn zu finden.»
«Wo ist Ihr Bruder verschwunden?»
«Von seinem Arbeitsort»
«Und wo liegt dieser?»
Doch Mr. Hone hatte genug.
«Ich muss gehen», sagte er mit einer schweren Zunge. «Danke für Ihre Hilfe.»
Mr. Hone stand auf, schüttelte Kerrigan die Hand und ging mit unsicheren Schritten davon.
KAPITEL II
Peter Kerrigan hatte beschlossen, sich um die Million Pfund zu kümmern, von denen im Brief die Rede gewesen war.
Um 9 Uhr am nächsten Morgen verliess er seine Wohnung. Er trug einen schäbigen blauen Anzug, einen Hut und eine braune Aktentasche.
An der Kreuzung jener Strasse, die zu Mr. Hones Haus führte, stellte er sich hin und wartete, bis Mr. Hone zur Arbeit ging. Das geschah um 20 Minuten nach 9. Kurze Zeit später stand Kerrigan vor der Wohnung von Mr. Hone und läutete.
«Gas, Wasser und Strom GmbH», sagte Peter Kerrigan. «Zähler kontrollieren.»
«Gestern schon war jemand hier», protestierte Frau Hone und machte keinerlei Anstalten, Kerrigan hereinzulassen.
«Stimmt. Alle Zähler im Distrikt sind kontrolliert worden. Das muss jedoch wiederholt werden», sagte Kerrigan ungerührt. «Gestern war ein Brand in unserem Büro. Sämtliche Unterlagen sind futsch.»
Die Frau zeigte auf den Gaszähler, der im Korridor stand.
«Wir müssen auch in die Wohnungen gehen und die Ventile überprüfen. Es hat in einigen anderen Wohnungen Gasvergiftungen gegeben, weil die Ventile defekt waren.»
Die Frau nahm dies zur Kenntnis. Dann beäugte sie Kerrigan misstrauisch:
«Kostet dies etwas?»
«Keinen Penny, Madam», gab Kerrigan fröhlich zur Antwort. «Geht auf Kosten der Firma.»
Frau Hone entspannte sich und lächelte.
«Das ist immerhin etwas», sagte sie und trat zur Seite, damit Kerrigan eintreten konnte.
Der einzige Raum, der Kerrigan interessierte, war das Wohnzimmer. Dieses war sehr klein, und offensichtlich diente es sowohl als Esszimmer als auch als Arbeitsraum. Während der wenigen Minuten, in denen Kerrigan allein im Wohnzimmer war, ging er zum Pult, das sich ebenfalls im Wohnzimmer befand. In aller Eile schaute er sich die Briefe, Briefumschläge und Notizzettel an, die sich auf dem Pult befanden.
Einer der Briefumschläge weckte sofort seine Neugier. Die Adresse auf ihm war mit der gleichen krakeligen Schrift geschrieben, mit der der Brief mit dem Hinweis auf die Million Pfund geschrieben worden war.
Kerrigan stopfte den Briefumschlag in seine Tasche. Er packte auch einige Photographien ein, die sich auf dem Tisch befunden hatten, und da er nachher nichts mehr sah, das ihn interessierte, verliess er das Haus.
Sobald er sich weit genug von ihm entfernt hatte, sah er sich den Briefumschlag und die Briefmarke an. Der Brief war in Blicester aufgegeben worden, und, soweit Kerrigan erkennen konnte, war dies bereits vor zwei Monaten geschehen.
Kerrigan winkte einem vorüberfahrenden Taxi.
«Kennen Sie einen Ort namens Blicester?», wollte er wissen.
«Ziemlich weit weg», meinte der Taxifahrer», «Blicester liegt in Buckinghamshire.»
KAPITEL III
Kerrigan nshm nicht den Taxi, sindern setzte sich in den Zug. Dieser führte ihn durch eine endlose Folge von grünen Wiesen, Hecken mit Blumen und dichten Wäldern, und Kerrigan konnte sich mit dem besten Willen nicht vorstellen, was diese so friedliche Gegend mit einer Million Pfund und einem verschwundenen Mann zu tun haben könnte.
Es war fast Mittag, als der Zug am praktisch menschenleeren Bahnhof von Blicester anhielt. Jemand auf der Strasse verwies ihn an das Angel Hotel: Das wäre der richtige Ort, um zu einem vernünftigen Essen zu kommen, erfuhr Kerrigan.
Er betrat die Lounge des Angel Hotels.
«Kennen Sie jemanden aus der Gegend, der Hone heisst?», fragte er den Hotelmanager.
Dieser schaute ihn erstaunt an und sagte grämlich:
«Ich kannte jemanden, der Hone heisst, und ich würde ihn gerne wiedersehen. Er schuldet mir drei Pfund und vierzehn Schilling. Doch die Chancen, dass ich ihn jemals wiedersehe, sind etwa so gross wie die Chance, dass ich jemals zum Mond fliege.»
«Ist dies der Mann?», fragte Kerrigan und zeigte ihm eine der Photographien, die er mitgenommen hatte.
«Das ist er», sagte der Hotelmanager, nachdem er das Bild kurz studiert hatte. Dann schaute er Kerrigan an, zwinkerte und sagte:
«Ich setze vier zu sechs, dass ich Ihren Beruf erraten kann, Sir, wenn Sie mir drei Versuche geben.»
«Ich schlage ein», meinte Kerrigan.
Der Hotelmanager lehnte sich über die Bartheke und sagte in einem Flüstern, wie man es von der Bühne her kennt:
«Gerichtsvollzieher, Detektiv oder Anwalt.»
Kerrigan merkte, dass er auf eine Goldader gestossen war.
«Sie haben gewonnen», meinte er. «Und gestatten Sie mir die Bemerkung, dass Sie ein kluger Kerl sind.»
«Ganz genau: klug», rief der Hotelmanager triumphierend aus. «Und welcher von den drei Berufen üben Sie nun aus?»
«Ja, das ist hier die Frage», meinte Kerrigan, «aber ich kann Ihnen eines sagen: Wenn Sie mir helfen, Hone zu finden, verspreche ich Ihnen, dass Sie Ihre drei Pfund und 14 Schilling zurückkriegen.»
«Kommen Sie herein!», rief der Hotelmanager und öffnete die Türe zu seinem Wohnzimmer.
«Dieser Mr. Hone», fuhr der Hotelmanager fort, nachdem er und Kerrigan es sich in ihren Sesseln gemütlich gemacht hatten, «dieser Mr. Hone hatte irgendeinen Job im Schloss.»
Kerrigan unterbrach ihn.
«Schloss?»
«Der Wohnsitz von Lord Crayton, etwas ausserhalb von Blicester. Sie kennen das Schloss ? Es heisst Marsh Manor. Nie davon gehört? Es liegt einige Meilen von hier, auf dem Weg nach Aylesbury. Es ist der grösste Herrschaftssitz im ganzen Distrikt. Dort arbeitete Mr. Hone – als eine Art Sekretär, nehme ich an.»
«Bibliothekar, vermutlich.»
«Könnte sein. Sah jedenfalls so aus, wie wenn er ein gebildeter Mensch wäre. Trug eine Brille und lief ständig mit einem Buch unter dem Arm herum. Andererseits aber sah er eben doch einigermassen heruntergekommen aus.
Er trank eine Menge Whiskey. Man sah es ihm an, dass er diesem schon seit einiger Zeit verfallen war. Er war ein guter Kunde, und deshalb habe ich ihm auch Geld geliehen. Und jetzt ist er abgehauen und schuldet mir die drei Pfund 14 Schilling.»
«Wissen Sie, warum er verschwunden ist?»
«Keine Ahnung.»
«Wann war das?»
«Vor anderthalb Monaten etwa, würde sich sagen.»
Der Hotelmanager verfügte über keine weiteren Informationen, die Kerrigan hätten von Nutzen sein können. Von da her musste der nächste Schritt darin bestehen, dem Schloss einen Besuch abzustatten. Kurze Zeit später war Kerrigan in einem alten und klapprigen Ford auf dem Weg nach Marsh Manor.
Der Eingang zum Schloss war nicht zu übersehen. Ein grosses, halbkreisförmig Tor öffnete sich zu einer Strasse hin, die nach etwa einer Meile hinter einem Wäldchen verschwand.
Kerrigan ratterte mit seinem Ford schnurstracks der Strasse entlang, bis er vor dem Schloss stand. Er warf einen Blick auf das Gebäude und erlebte eine unangenehme Überraschung, die ihn zwang, seine Pläne zu ändern: Er hatte beabsichtigt, sich als Detektiv von Scotland Yard auszugeben. Doch als er einen Polizisten auf der Treppe stehen sah, die zum Schloss führte, sah er davon ab. Die Polizei hat es nicht gerne, wenn man sich als Polizist ausgibt.
Kerrigan wandelte deshalb seine äussere Erscheinung kurzerhand zu der eines Anwalts um, und versuchte, eine würdevolle Erscheinung abzugeben, als er aus dem Auto stieg.
Oben auf der Treppe stand nach wie vor ein Polizist. Er musterte Kerrigan kühl, schob seine Gestalt zwischen diejenige von Kerrigan und der Eingangstüre und fragte, was er hier zu suchen habe.
«Ich bin Anwalt», begann Kerrigan, «und ich möchte zwei, drei Minuten mit dem Lord zu sprechen.»
«Wenn Sie mir Ihre Karte geben, Sir, bringe ich diese nach drinnen»
Kerrigan reiste nie ohne ein ganzes Sortiment an Visitenkarten, um verschiedensten Notfällen gerecht werden zu können. Jetzt nahm er eine Karte hervor. «Mr. Algeman Phipps, Y201 Albany, London W1 Almack’s, Bucks, Boodles» stand auf ihr. Es war nicht exakt jene Karte, die er eigentlich hatte nehmen wollen, um sich als Anwalt der Familie auszugeben. Doch bei der Wahl war er ein wenig unaufmerksam gewesen – und seinen Kartenstapel erneut hervorzunehmen und nach einer anderen Visitenkarte zu suchen, hätte verdächtig gewirkt.
Der Polizist sah sich die Visitenkarte an und gab sie an einen anderen Polizisten weiter, der in der Eingangshalle postiert war.
Im nächsten Augenblick aber öffnete sich eine Türe und jene Person erschien, die Kerrigan von allen Einwohnerinnen und Einwohnern in England als letzte hätte antreffen wollen. Es handelte sich um Inspektor Fleming von Scotland Yard – Kerrigan und Fleming kannten sich seit vielen Jahren und waren sich bei verschiedenen Gelegenheiten über den Weg gelaufen.
Der Inspektor streckte seine Hand aus.
«Hallo, Kerrigan», sagte er. «Das ist genau so ein Ort, an dem man mit Ihnen rechnen muss.»
Er wandte sich an den Polizisten.
«Ist dies der Herr Philipps?»
«Das ist er, Sir.»
«Entschuldigen Sie mich», fuhr Kerrigan dazwischen und blickte auf die Visitenkarte.
«Es handelt sich um ein Missverständnis. Ich habe Ihnen aus Versehen eine falsche Visitenkarte überreicht. Wie dumm von mir!»
«Worum geht es diesmal, alter Knabe?», wollte der Inspektor wissen und lachte.
«Er behauptete, er sei ein Anwalt», beschwerte sich der Polizist, der merkte, dass ihn Kerrigan übers Ohr gehauen hatte.
«Wenn Sie diesen Gentleman so gut kennen würden wie ich», antwortete der Inspektor, «wüssten Sie, dass man nicht alles glauben darf, was er sagt. Kommen Sie mit, Kerrigan.»
Er führte Kerrigan in die Eingangshalle und liess ihn auf einem Sofa Platz nehmen.
«Was tun Sie hier?», fragte der Inspektor.
«Ich sage Ihnen die Wahrheit», versicherte Kerrigan, nachdem er einen Moment gezögert hatte, «und die Wahrheit ist, dass es um etwas geht, das ich nicht allen Leuten anvertrauen möchte.»
«Da bin ich mir sicher», antwortete der Inspektor trocken.
«Nein, nein, nichts von dem, was Sie meinen. Hören Sie mir zu. Ich kam hierher, weil ich herausfinden wollte, was mit Mr. Hone geschehen ist, der bis vor sechs Wochen hier als Bibliothekar gearbeitet hat.»
«Warum interessierte Sie dies?»
Wieder zögerte Kerrigan. Schliesslich sagte er:
«Ich hörte von seinem Bruder, dass Mr. Hone damit rechnete, in nächster Zeit zu viel Geld zu kommen – zu einer Million Pfund.»
«Wie denn?»
«Genau dies wollte ich herausfinden.»
«Sie haben keine Idee, Kerrigan?»
«Ehrlich gesagt: nein.»
«Ach so. Und das ist alles, was Sie mir erzählen können?»
«Absolut alles, Fleming. Ehrlich gesagt: Ich hätte mich angesichts der vagen Angaben nicht gross um die Angelegenheit gekümmert, aber ich habe eine Menge Zeit und da dachte ich mir, ich schaue mich hier mal um.»
«Ich sehe. Und wie gedenken Sie vorzugehen?»
«Ich werde mich an den Lord wenden. Und ich werde auch ein Wort mit dem neuen Bibliothekar wechseln, sofern es einen solchen gibt.»
«Es gab einen solchen», meinte Fleming. «Bis letzten Freitag jedenfalls.»
Kerrigan zuckte zusammen.
«Sie wollen mir nicht etwa sagen, dass dieser ebenfalls abgehauen ist?»
«Nicht abgehauen», seufzte der Inspektor. «Ermordet. Der Bibliothekar ist in der Bibliothek ermordet worden - irgendwann letzte Nacht.»
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